Unterrichtsverfahren im Chemieunterricht
Allgemeine fachspezifische Verfahren
1. problemorientierte Verfahren2. induktiver Ansatz
Weg vom Phänomen über eine Abstraktion zur Formulierung einer Aussage (Hypothese
oder Gesetz)
3. deduktiver Ansatz
Hierbei wird von einer Prämisse (Hypothese, Gesetz) ausgegangen, wobei man über
Untersuchungen oder logisches Schließen zu einer weiteren Hypothese oder zu Folgerungen
gelangt.
Häufig sind induktive und deduktive Schritte wie beim empirisch-induktiven Verfahren oder beim
forschend-entwickelnden
Verfahren miteinander gekoppelt.
4. genetischer Ansatz
Ein komplexer Unterrichtsgegenstand (z.B. Thema Luft im
Anfangsunterricht)
wird schrittweise in aufeinander aufbauende und einem Erkenntnisprozess angepassten Stufen
vermittelt, wobei das Werden des Wissens im Schüler durch größtmögliche
Selbsttätigkeit gefördert werden soll.
Probleme, Überlegungen zur Problemlösung und Experimente sollen so gestaltet werden,
dass wissenschaftliche Erkenntnisgewinnungen bzw. Ergebnisse nachvollziehbar werden.
Beim historisch-genetischen Verfahren folgt der Unterricht einem historischen Prozess
(z.B. Entwicklung von Atommodellen). Das Werden von Wissen sollte entlang einer Zeitleiste
unter Berücksichtigung der zum jeweiligen historischen Zeitpunkt vorhandenen Fakten und
der historischen Zusammenhänge nachvollzogen werden. Zur Vereinfachung sollten
historische Irrwege nicht beschritten werden.
5. analytisch bzw. synthetische Verfahren
Entweder wird ein Unterrichtsgegenstand in seiner Ganzheit betrachtet und in seine
Elemente zerlegt oder wesentliche Elemente werden unter bestimmten Gesichtspunkten
zusammengefügt.
So kann man eine Destillationsapparatur im Anfangsunterricht aus einzelnen
Bestandteilen systematisch entwickeln. Alternativ kann man die Apparatur komplett vorgeben
und diese in ihre Bestandteile zerlegen und dabei deren Funktion klären.
6. konzeptorientierter Ansatz
Bei diesem Verfahren werden Zusammenhänge aufgezeigt und Systematisierungskonzepte
entwickelt und angewendet.
Konzepte können z.B. das Stoff-Teilchen-Konzept, das Donator-Akzeptor-Konzept, das
Struktur-Eigenschafts-Konzept, das Energie-Konzept und das Konzept des chemischen
Gleichgewichts sein.
(zurück)
Das
empirisch-induktive Verfahren
(Beispiel aus der Elektrochemie)
Verschiedene Metall-/Metallsalzsysteme lassen sich kombinieren und führen zu unterschiedlichen Spannungen.1. Sammeln und Ordnen von Einzelbeobachtungen und Fakten
2. induktiver Schritt
3. spekulativer Schritt (Formulierung einer Hypothese)
Über den Vergleich der unterschiedlichen Reaktionen von Zink, Eisen und Kupfer mit
einer verdünnten Säure lässt sich vermuten, dass ein System
Wasserstoff/Wasserstoffionen existiert, das vor dem System Cu/Cu2+ und hinter
dem System Fe/Fe2+ einzuordnen wäre.
4. deduktiver Schritt (Folgerungen)
Trifft die Vermutung zu, so müssten in entsprechenden galvanischen Elementen (Fe/Fe2+//H2/2H+
bzw. Cu/Cu2+//H2/2H+) Spannungen gemessen werden, deren
Summe gleich der Spannung zwischen den Systemen Fe/Fe2+ und Cu/Cu2+
ist, wobei einmal das positive Vorzeichen beim System H2/2H+ und im
anderen Fall beim System Cu/Cu2+ festzustellen wäre.
5. Prüfung der Folgerungen
Es werden entsprechende galvanische Elemente aufgebaut und die Spannungen gemessen.
6. Erweiterung der bestehenden Regel
Die Redoxreihe der Metalle wird um das Nichtmetallsystem Wasserstoff erweitert und das
Reduktions- bzw. Oxidationsverhalten eingeordnet.
Hier könnte sich ein weiterer spekulativer Schritt anschließen, z.B. Vermutungen über die Verknüpfung weiterer Nichtmetallsysteme (z.B. Sauerstoff oder Halogene) mit dem bisher bestehenden System der Redoxreihe.
Das
forschend-entwickelnde Unterrichtsverfahren
(Beispiel aus dem chemisches Gleichgewicht)
1. Problemgewinnung
Zink wird in einem Schülerversuch mit Salzsäure und Essigsäure gleicher Konzentration (c=0,1 mol/l) zur Reaktion gebracht.
Beobachtung: unterschiedliche Gasentwicklung
Es ist eine unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeit festzustellen.
Warum reagiert Zink mit Salzsäure schneller als mit Essigsäure gleicher Konzentration?2. Überlegungen zur Problemlösung
Die Reaktionsgleichungen beider Reaktionen werden aufgestellt.
Es wird vermutet, dass unterschiedliche Wasserstoffionenkonzentrationen in den beiden Säuren vorliegen.
Dies könnte man über Messung der pH-Werte bzw. der Leitfähigkeit überprüfen.3. Durchführung der Lösungsvorschläge
Im Schülerversuch sollen arbeitsteilig der pH-Wert bzw. die Leitfähigkeit bestimmt werden. Hierzu werden vor der praktischen Umsetzung bezüglich Material und Durchführung Überlegungen angestellt.
Die Ergebnisse werden im Anschluss an die Experimente vorgestellt und bezüglich der Problemfrage diskutiert.4. Abstraktion der gewonnenen Erkenntnisse
Aus den Messwerten werden die Hydroniumionenkonzentrationen berechnet.
Es wird für Essigsäure das Protolysegleichgewicht formuliert, die Protolysekonstante (Säurekonstante) berechnet und das Kennzeichen schwacher Säuren herausgestellt.
Eventuell kann man den Protolysegrad einführen.5. Wissenssicherung
Die Protolysekonstante einer weiteren schwachen Säure soll aus Messwerten berechnet werden.
Literatur: Schmidkunz/Lindemann Das forschend-entwickelnde Verfahren
Paul List Verlag München bzw. Westarp Wissenschaften 1995
Handlungsorientierter Unterricht
Mit diesem Begriff wird ein Unterrichtskonzept bezeichnet, das den Schülern einen handelnden Umgang mit den Lerngegenständen ermöglichen soll, bei dem materielle oder soziale Tätigkeiten den Mittelpunkt des Lernprozesses bilden.
Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher Unterricht (personal, inhaltlich, methodisch), bei dem Handlungsprodukte die Gestaltung des Unterrichtsprozesses leiten.
Dieses Verfahren geht von den Erfahrungen der Schüler aus mit dem Ziel, die Schüler zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Handeln zu führen.
Gehandelt wird, wenn der übliche Sitzplatz, die Klasse bzw. die Schule verlassen wird, um Erfahrungen zu machen, Informationen zu sammeln und Erkenntnisse zu gewinnen.
Handlungsorientierter Unterricht beteiligt die Schüler von Anfang an an der Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht.
Er bezieht Denken, Fühlen und Handeln aufeinander.Der handlungsorientierte Unterricht ist daher sehr eng mit dem Projektunterricht verknüpft.
Handelndes Lernen ist:
· subjektorientiert
· tätigkeitsstrukturiert
· erfahrungsbezogen
· interaktionsbetont
· ganzheitlichZur Handlungskompetenz gehören:
· fachliche Kompetenz
· Methodenkompetenz
· soziale Kompetenz
· persönliche Kompetenz
Literatur: Gudjons, Herbert Handlungsorientiert Lehren und Lernen
Klinkhardt 1997
(zurück)
Ein Projekt bedeutet eine Form schulischen Lernens, die dem Schüler Mit- und Selbstbestimmung ermöglicht bei der Auswahl der Unterrichtsthemen und Inhalte, Festlegung der Unterrichtsziele, Bestimmung der Methoden, bei der Durchführung, Erarbeitung der Probleme und Ergebnisse und Beurteilung der geleisteten Arbeit, wobei nicht zuletzt die Ergebnisse des Unterrichts über Anwendungen konkret überprüfbar werden.
Wesentliche Merkmale des Projektunterrichts sind:
- Bedürfnisbezogenheit
- Situationsbezogenheit
- Interdisziplinarität
- Selbstorganisation des Lernprozesses
- Produktorientierung
- gesellschaftliche Relevanz
- kollektive Realisierung
Prozessmerkmale des Projektunterrichts:
1. Projektinitiative (Anregung) und Auseinandersetzung mit der Projektinitiative:
Festlegung eines Themas und der Projektgruppe2. Entwicklung des Projektplans:
Festlegung der Inhalte, Ziele und Methoden3. Projektdurchführung
Insbesondere während der Durchführung sind Setzungen von Fixpunkten und
Metainteraktionen auf der Inhalts- und Beziehungsebene notwendig.4. Abschluss des Projekts:
Ergebnissicherung, Beurteilung und Präsentation
Der projektorientierte Unterricht ist eine Reduktion des Projektunterrichts, wobei der Lehrer mehr oder weniger steuernd eingreift, z.B. bei der Wahl von Themen, Inhalten, Materialien, Zielen und Methoden, bei der Organisation der Projektgruppe, durch Verknüpfung mit anderen Fächern und bei der Beurteilung der Arbeit.
Literatur:
(zurück)
Wissenschaftspropädeutisches Lernen ist ein besonders akzentuiertes
wissenschaftsorientiertes Lernen, das durch Systematisierung, Methodenbewusstsein,
Problematisierung und Distanz gekennzeichnet ist und das die kognitiven und affektiven
Verhaltensweisen umfasst, die Merkmale wissenschaftlichen Arbeitens sind.
Ansätze wissenschaftspropädeutischen Arbeitens finden sich bereits in der Sekundarstufe
I. Das Lernen in der gymnasialen Oberstufe baut darauf auf.
Wissenschaftspropädeutisches Lernen umfasst systematisches und methodisches Arbeiten
sowohl in den einzelnen Fächern als auch bei fachübergreifenden und fächerverbindenden
Vorhaben.
Grundlagenwissen
Wissenschaftspropädeutisches Lernen setzt ein jederzeit verfügbares, gut vernetztes
fachliches Grundlagenwissen voraus, das eine Orientierung im Hinblick auf die relevanten
Inhalte, Fragestellungen, Kategorien und Methoden der jeweiligen Fachbereiche ermöglicht
und fachübergreifende Fragestellungen einschließt. Wissenschaftspropädeutisches Lernen
baut daher auf einer vertieften Allgemeinbildung auf, die sich auf ein breites Spektrum
von Fachbereichen und Fächern bezieht, und trägt umgekehrt zu ihr bei.
Selbstständiges Lernen und Arbeiten
Wissenschaftspropädeutisches Lernen ist methodisches Lernen. Es zielt darauf hin, dass
die Schülerinnen und Schüler grundlegende wissenschaftliche Erkenntnis und
Verfahrensweisen systematisch erarbeiten.
Der Unterricht muss daher so gestaltet werden, dass die Schülerinnen und Schüler lernen,
eine Aufgabenstellung selbständig zu strukturieren, die erforderlichen Arbeitsmethoden
problemangemessen und zeitökonomisch auszuführen, Hypothesen zu bilden und zu prüfen
und die Arbeitsergebnisse angemessen darzustellen.
Reflexions- und Urteilsfähigkeit
Wissenschaftspropädeutisches Arbeiten erfordert problem- und prozessbezogenes Denken und
Denken in Zusammenhängen. Die Schülerinnen und Schüler sollen sachgemäß argumentieren
lernen, Meinungen von Tatsachen, Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden, Prinzipien
und Regeln verstehen, anwenden und übertragen können. Sie sollen die Grenzen und
Geschichtlichkeit wissenschaftlicher Aussagen erkennen und den Zusammenhang und das
Zusammenwirken von Wissenschaften kennen lernen.
Schließlich geht es um das Verständnis für grundlegende wissenschaftstheoretische und
philosophische Fragestellungen, Deutungen der Wirklichkeit, um ethische Grundüberlegungen
und um die Reflexion des eigenen Denkens und Handelns.
Wissenschaftliche Verhaltensweisen
Es gilt, Verhaltensweisen zu entwickeln und zu pflegen, mit denen wissenschaftliches
Arbeiten als ein spezifischer Zugriff auf Wirklichkeit erlebt und begriffen werden kann.
Wissenschaft soll auch als soziale Praxis erfahrbar werden, die auf spezifische Weise eine
Verständigung über unterschiedliche Positionen und Sichtweisen hinweg ermöglicht. Dazu
ist Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft erforderlich. Voraussetzung für
wissenschaftspropädeutisches Arbeiten sind Verhaltensweisen wie Konzentrationsfähigkeit,
Geduld und Ausdauer, das Aushalten von Frustrationen, die Offenheit für andere
Sichtweisen und Zuverlässigkeit.
(zurück)